23.08.2023, zns bvdp bvdn bdn

Praxenkollaps, 5 vor 12 | Praxis weg, Gesundheit weg!

(C) KBV: Wosnitza

Circa 800 Kolleginnen und Kollegen aus dem gesamten Bundesgebiet hatten sich zum Krisentreffen der KBV am 18.8.23 im JW Marriott Hotel in Berlin angemeldet. Entsprechend gefüllt war der Saal.

Am Hoteleingang hatten sich einige KollegInnen mit Plakaten zum Thema Praxiskollaps aufgestellt, wurden aber von Polizisten vom Platz geschickt. Drei Kollegen duften bleiben, wohl weil sie sich ordentlich zur Demonstration angemeldet hatten. Drinnen gab es ebenfalls Plakate mit Statements, zum Beispiel:
„Kaum ist die Pandemie vorbei, gehen wir der Politik am A…vorbei.“
„Was ist vom Traumberuf geblieben? Rufbereitschaft 24/7.“

Gegen 11:00 Uhr eröffnete die Vorsitzende der KBV-VV, Frau Dr. Petra Reis-Berkowicz, die Krisensitzung zur Verhinderung eines Praxenkollapses und dankte für die große Beteiligung. Bereits im Vorfeld waren wir alle um Meinungsäußerungen zum Thema gebeten worden. Die eingegangenen Beiträge wurden exemplarisch zitiert. Da war z.B. von „Hinschmeißen“ die Rede, von großer Enttäuschung.
Dr. Andreas Gassen kritisierte die leeren Versprechen von Bundesminister Lauterbach (diese wurden auch in Videomitschnitten präsentiert) und forderte das BMG auf, jetzt zu handeln.
Es wurden Videobeiträge von Kollegen aus unterschiedlichsten Teilen des Landes gezeigt, die ihre persönlichen Erfahrungen kritisch äußerten. Auch Dr. Sabine Köhler (BVDN und BVDP) und Dr. Klaus Gehring (BVDN und BDN) waren vor Ort.

Die Veranstaltung zeichnete ein vielseitiges Bild der Krise, in der unser Gesundheitssystem steckt und damit auch die ambulant tätigen Ärzte. Eine Kollegin sagte, sie wollte eigentlich Ärztin sein und keine Widerstandskämpferin. Zum Widerstand wurden wir allerdings aufgefordert und dazu, nicht länger die Misere zu dulden, so eine der Sprecherinnen aller vertretenen Landes-KVen.

Jede Landes-KV hatte einen Redebeitrag vorbereitet, u.a. zum Thema:

  • Ineffiziente Digitalisierung,
  • Fachkräftemangel (die MFA wurden als unsere Partner gewürdigt), Bürokratieübermaß (3 Monate / Jahr arbeitet ein HA nur Büro ab),
  • Unsinnige Regressforderungen (ab 30€ Unwirtschaftlichkeit wird eine bürokratische Maschinerie in Gang gesetzt, die viel Arbeit und Geld kostet),
  • Missachtung der Leistungen der Niedergelassenen,
  • Bevorzugung der Krankenhäuser,
  • Fehldarstellung von uns Ärzten als Großverdiener (für unsere Arbeit dürfen wir auch Geld verlangen),
  • Historie der Budgetierung und des EBM und die resultierende Unterfinanzierung,
  • Überinanspruchnahme ärztlicher Leistungen durch Patienten, denen von der Politik vermittelt wird, alles sei möglich,
  • Ambulantisierung (gleiches Geld für gleiche Leistung),
  • Weiterbildung in den Praxen (Förderung ist geboten, die KH können längst nicht mehr die Weiterbildung realisieren)
  • und vieles mehr.

>> Die Veranstaltung wurde online übertragen und ist auch noch verfügbar. <<

Ein Redebeitrag formulierte, dass wir Ärztinnen und Ärzte uns innerhalb und außerhalb der Fachrichtung nicht gegeneinander aufhetzen lassen sondern zusammenstehen sollten.
Die Wortbeiträge wurden sehr oft von Beifall unterbrochen.
Es entstand für mich überraschend der wohltuende Eindruck, dass heute alle KVen und niedergelassene Kollegen zusammenstehen gegen die politischen Fehlentscheidungen und Missstände.
Abschließend wurden durch Frau Dr. Sibylle Steiner sieben Forderungen erläutert, welche die aktuelle Situation zusammenfassen / spiegeln und mit der Zustimmung aller Anwesenden an Herrn Lauterbach gesendet werden mit der Aufforderung, bis zum 13.9.2023 zu antworten.

Herr Dr. Stephan Hofmeister formulierte im Abschlussbeitrag u.a.:
Der Sicherstellungsauftrag wird unsererseits und bisher ohne Streik erfüllt, aber die Gegenseite ist vertragsbrüchig, da uns eine einkömmliche Vergütung geschuldet wird.
Somit ist der Vertrag gebrochen.

FAZIT:

Ein hörbares Signal der vertragsärztlichen Selbstverwaltung, fachlich-sachliche Diskussionen und klare Forderungen – einmal wieder kann man nur hoffen, dass sie Gehör finden. Im Rahmen der gerade beginnenden Honorarverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband werden durch dessen Vertreter wieder die altbekannten ehrabschneidenden Narrative der Ärzteschaft als gierige Spitzenverdiener bemüht. Die fehlende Wertschätzung der vertragsärztlichen Tätigkeit, die immerwährende selbstverständliche Erwartung, dass die Kolleginnen und Kollegen gefälligst alle Kostensteigerungen wie auch die absolut gerechtfertigten Tariflohnsteigerungen der MFAs aus eigener Tasche zahlen sollen führt in den Praxen zu inneren Kündigungen und zum Verlust der Freude am Beruf.

All das ist der Politik längstens bekannt und hat System mit Plan und Ziel, letztlich der Ausdünnung des Versorgungsangebots im Gesundheitswesen – sowohl im stationären wie im ambulanten Bereich. Als Buhfrauen und Buhmänner sollen wieder wir Ärztinnen und Ärzte herhalten. Dazu haben wir keine Kraft und keine Lust mehr. Lasst uns unsere Arbeit machen, dafür sind wir Neurologen und Psychiater/Psychotherapeuten geworden!