21.04.2015, Köln | extern

Künftige Versorgung von neurologischen und psychiatrischen Patienten

Ein Schwerpunktthema auf dem diesjährigen Neurologen- und Psychiatertag (NUP-Tag) am 18.4.2015 in Köln war die sektorübergreifende Versorgung neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen am Beispiel der Depression und der multiplen Sklerose.

Entsprechende Versorgungsverträge wurden von den neurologischen und psychologischen Berufsverbänden sowie der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) bereits entwickelt und der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein spezieller Entwurf eines Versorgungsvertrages, der als Anlage zum Bundesmantelvertrag konzipiert ist, wurde von Dr. Bernhard Rochell, Verwaltungsdirektor der KBV, auf dem NUP-Tag vorgestellt. Er stellte dar, dass neurologisch-psychiatrische Erkrankungen schon heute bereits die größten Kosten im Gesundheitssystem verursachen und in den kommenden Jahren weiter erheblich zunehmen werden. Das begründet die Notwendigkeit, den Neuropsychiatrischen Versorgungsvertrag umzusetzen und dieses auch in der Sozialgesetzgebung zu verankern. Nur wenn das Zusammenspiel der wohnortnahen Grundversorger und spezialisierten Zentren sowie das Zusammenspiel unterschiedlicher Facharzt- und Berufsgruppen in intelligenten Behandlungspfaden koordiniert und sicher gestellt wird, sind die medizinischen und auch finanziellen Herausforderungen zu meistern.

Professor Ralf Gold, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), hat in seinem Vortrag auf die wachsende Komplexität der Behandlung der multiplen Sklerose hingewiesen. Eine Ursache ist einerseits die Zunahme von MS-Patienten sowie die wachsende Verfügbarkeit neuer MS-Therapien, die mit erheblichen Chancen für die Behandlung, aber auch Risiken einhergehen. Die Regelversorgung wird diesen Anforderungen gerade bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität und Patienten mit komplexen Symptomen nicht mehr gerecht. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, spezialisierte Versorgungsstrukturen zu schaffen und mit bestehenden Versorgungsangeboten zu vernetzen. Die neurologischen Berufsverbände begrüßen daher ausdrücklich den Zugang von schwer betroffenen Patienten zu speziellen Strukturen und zu einem interdisziplinären Behandlungsteam, wie sie vom Gesetzgeber in Form der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) vorgesehen ist. Obschon in Anbetracht der zahlreichen Neuzulassungen zum Teil hochwirksamer, kostenintensiver und auch mit besonderen Risiken behafteten Immuntherapien ein erheblicher Steuerungsbedarf besteht, ist die Bearbeitung der Multiplen Sklerose als „ASV- Indikation“ durch den hierfür zuständigen Gemeinsamen Bundesausschuss auf unbestimmte Zeit nicht in Sicht, was von den Berufsverbänden außerordentlich bedauert wird. Aktuell wird derzeit öffentlich diskutiert, ob auch leichter betroffene Patienten Zugang zu der ASV erhalten sollen.
Das lehnen die Berufsverbände eindeutig ab: die ASV sollte ausschließlich für schwer betroffene Patienten vorgehalten werden, damit hier keine Fehlanreize entstehen. Eine Ausweitung dieser hochspezialisierten Versorgungsstruktur auch auf leichte Patienten würde künftig absehbar zu einem erheblichen Finanzierungsproblem führen, das die Sozialversicherungssysteme vor kaum lösbare Herausforderungen stellen dürfte. Es ist daher vielmehr erforderlich, gerade das Zusammenspiel von Grundversorgung und spezialisierter Versorgung zu steuern.
Auf die Notwendigkeit einer Vernetzung bestehender Versorgungsangebote hat Dr. Iris Hauth, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), auch bei Patienten mit Depressionen hingewiesen. Hier ist eine besondere Komplexität in der Verzahnung des stationären, teilstationären und ambulanten Bereichs zu erwähnen, nicht zuletzt mit Implementierung eines neuen Vergütungssystems (PEPP) in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken. Eine Herausforderung stellt die sinnvolle Vernetzung stationärer, teilstationärer und ambulanter Leistungen durch den stationären Sektor mit den ambulanten vertragsärztlichen Leistungen dar.
Frau Barbara Lubisch, Vorsitzende der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV), des größten Berufsverbands der Psychologischen Psychotherapeuten, referierte zur Herausforderung, der sich die Psychologischen Psychotherapeuten stellen wollen, um weitere Aufgaben zum Beispiel in der Akutversorgung zu übernehmen.

Alle Verantwortlichen waren sich einig, dass es der gemeinsamen und koordinierten Anstrengung bedarf, um den dringenden Versorgungsaufgaben gerecht werden zu können.

Künftige Versorgung von neurologischen und psychiatrischen Patienten